Dienstag, 6. September 2016

Vegan denken lernen - Teil 1: Vitamin A

Matteo Farinella: Arcimboldo Brain

Ernährungswissen(14)

Heute starte ich die Artikelserie "Vegan denken lernen", die die Besonderheiten einer rein pflanzlichen Ernährung buchstäblich "begreifbar" machen soll. Weg von "empfohlener Tagesdosis" und Ernährungspyramiden, hin zu "neuen Grundnahrungsmitteln" und einer Vorstellung davon, in welchen Größenordnungen diese in unserer Ernährung vorkommen sollten. Teil 1 startet hier mit Vitamin A.

Die schlechte Nachricht zu erst: Vitamin A (Retinol) kommt in Pflanzen nicht vor. Die gute Nachricht: Aus den verschiedenen Carotinen, die in  Pflanzen vorkommen, wird u.a. in den Zellen der Dünndarmschleimhaut Retinol hergestellt. Dennoch hat statistisch jeder fünfte Europäer Vitamin A-Mangel. In Ländern mit Unterernährung stellt Vitamin A-Mangel eines der größten Probleme dar.

Retinol ist die Ausgangssubstanz für diverse "Vitamin A-Verbindungen", die an verschiedenen Orten unseres Organismus benötigt und gebildet werden. Von besonderer Bedeutung ist Retinol für die Netzhaut unseres Auges. Das früheste Symptom eines Vitamin A-Mangels ist daher meistens ein verschlechtertes Dämmerungs- und Nachtsehens  bis hin zur Nachtblindheit.
Ebenso ist Vitamin A sehr wichtig für die Spermienbildung und damit für die Fruchtbarkeit des Mannes, für unser Nerven- und Immunsystem, für unsere Haut und Schleimhäute sowie für die Blutbildung und die Proteinsynthese.

Besonders erwähnt werden muss die Bedeutung von Vitamin A in Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit. Es hat eine große Bedeutung für das Wachstum und die Knochenentwicklung. 

Der tatsächliche Tagesbedarf eines Nährstoffes kann nicht exakt bestimmt werden.  Durch empirisch gewonnene Daten ist lediglich eine grobe Abschätzung möglich. Dieser wird ein dickes Sicherheitsplus hinzu addiert und als empfohlene tägliche Aufnahme kommuniziert.
Diese tägliche Aufnahmeempfehlung liegt bei Vitamin A für Erwachsenen bei  1,0 mg/Tag, in der Schwangerschaft bei 1,1 mg/Tag und  in der Stillzeit bei 1,5 mg/Tag. 

Das Möhrengrün mit verarbeiten oder für den grünen Smoothie verwenden

Nur aus Beta-Carotin kann im Verhältnis 2 zu 1 Retinol gebildet werden. Für andere Carotine ist das Verhältnis ungünstiger. Daher liegt liegt die Empfehlung zur Aufnahme von Carotinen bei dem vier-  bis sechsfachen der genannten Zahlen, ist aber problemlos im Alltag zu realisieren.

In speziellen Zellen der menschlichen Leber wird Retinol dann auch gespeichert und so sichern volle Leberspeicher eine ausreichende Versorgung für mehrere Monate im Voraus. Die kindliche Leber besitzt nur eine sehr geringe Speicherkapazität für Retininol. Eine regelmäßige Zufuhr ist hier besonders wichtig. Für eine möglichst regelmäßige Zufuhr an Carotinen spricht noch eine andere Tatsache: Carotine und Carotinoide sind auch sehr wirkungsvolle Antioxidantien. Sie reduzieren "oxidativen Stress" in unseren Zellen und wirken damit Krebs, entzündlichen und degenerativen  Krankheiten sowie Alterungsprozessen entgegen.
  
Aus Carotinen entsteht nicht nur Vitamin A - sie sind auch wichtige Antioxidatien

Ideale Grundnahrungsmittel zur Carotin-Versorgung sind:
Süßkartoffel (Batate), Aprikose (besonders getrocknet), alle Küchenkräuter frisch oder getrocknet (Petersilie,Dill, Kerbel, Basilikum etc.), Blattgemüse (besonders Grünkohl, Spinat, Löwenzahn und Mangold), Möhre, alle Blattsalate (besonders Feldsalat), Honig- und Kantalupemelone, Paprika und Chili (besonders als Gewürzpulver und Konzentrat). Einen sehr hohen Carotingehalt hat auch Palmfett, jedoch wird durch starkes erhitzen dieser wieder reduziert. Auch wenn das Palmöl aus nachhaltigem Anbau stammt, bleiben immer noch lange Transportwege bis zu uns.
Nicht so hoch wie oft gemeint ist dagegen der Carotingehalt von Tomaten und Kürbis.

Carotine können auch grün sein!

Zur effektiven Aufname von Carotinen aus der Nahrung muss ein wenig Fett in der Mahlzeit sein, da die Carotine fettlöslich sind und nicht wasserlöslich.

Carotine sind empfindlich gegen Hitze, Licht und Sauerstoff. Es können Verluste auftreten von  bis zu 30 %. Die ideale Zubereitungsform heißt also roh, ungeschält und frisch
Der Carotingehalt von Süßkartoffeln und Aprikosen ist so hoch, dass sie auch gegart bzw. getrocknet noch überaus reich daran sind. Auch getrocknete Kräuter und Gewürze sind noch reich an Carotinen.

1 mittlere Möhre (50 g) deckt den Tagesbedarf, ebenso 1 Scheibe Honigmelone (100 g) oder 1 Portion Grünkohl (100 g).
2 getrocknete Aprikosen sind mehr als der Tagesbedarf. 
1 kleine Süßkartoffel (100 g) deckt den Tagesbedarf fast doppelt.
Alles was den Tagesbedarf übersteigt geht in die Speicher für "schlechte Zeiten". Volle Speicher reichen wie schon erwähnt für mehrere Monate.
                 Die abgebildeten Mengen decken den Bedarf x-fach. In Schwangerschaft und Stillzeit bitte das Doppelte!
Und jeden Tag eine Hand voll Grünzeug 
als Salat oder Smoothie

Meine Rezept-Tipps: 

Green Smoothie
Alle Blattgemüse und Salate sind der ideale Grundstoff für grüne Smoothies. 1 Hand voll pro Portion.  Um mehr Volumen zu bekommen gebe ich pro Portion eine 1/4 Salatgurke dazu. Um den Geschmack etwas lieblich abzurunden  kommen 1 bis 2 über Nacht eingewichte Aprikosen (mit Einweichwasser!) hinzu. Gerne auch 1/2 süßlicher Apfel oder ein Stück frische  Ananas. Nicht vergessen: 1 winziger Schuss Öl, am besten Hanföl. Mit 250 ml Wasser auffüllen und gründlich mixen (geht auch ohne Hochleistungsmixer!). Nach belieben noch Wasser hinzufügen, wenn es flüssiger sein soll. Möglichst nicht lange (auch nicht im Kühlschrank) herumstehen lassen, sondern frisch genießen.Im Sommer auch sehr lecker auf Eis. Manchmal bilden sich schon nach kurzem Stehen Phasen im Glas, dann einfach immer mal wieder unrühren.

Pizzaboden aus Süßkartoffeln
(Backofen auf 100 Grad vorheizen)
300 g Süßkartoffel mit Schale sehr fein (musig) geraspelt 
50 g frisch gemahlener schwarzer oder gelber Sesam (ungeschält!)
75 g Kichererbsenmehl
20 g Kokosfett oder Palmfett (nur aus zuverlässiger Bio-Quelle!)
3-5 sehr fein gehackte oder durchgepresste Knoblauchzehen
1-2 Esslöffel Majoran oder Oregano
1-2 Teelöffel  Meersalz nach Geschmack. 

Alle Zutaten gut miteinader zu einem Teig kneten, ggf. noch etwas Öl dazu geben und diesen dann in gewünschter Dicke auf einem Backblech ausstreichen (dünner wird knuspriger!). Bei 120 Grad Umluft den Teig 45 bis 60 Minuten "trocknen" bis die gewünschte Festigkeit erreicht ist. Dann hauchdünn mit Öl bepinseln (verhindert dass der Teig durch den Belag matschig wird) und nach Belieben belegen. Mit veganem Pizzaschmelz bestreuen oder besser noch mit  veganer Käsesoße (s.u.) beträufeln. Dann den Belag weitere 10 Minuten im Ofen erhitzen, in Stücke schneiden und genießen.

Vegane Käsesoße für Pizzen, Gemüse und Salate
2 Esslöffel Cashew-Mus mit 1 Tasse Wasser im Topf so lange erhitzen und mit dem Schneebesen glatt rühren bis eine cremige Masse entsteht. Gegebenenfalls Cashew-Mus oder Wasser zugeben, um die passende Konsistenz zu erzielen. Je nach Geschmack 3-5 Esslöffel frisch gemahlene Hefeflocken zugeben und mit Salz und weißem Pfeffer abschmecken. Nach Belieben einen Spritzer Zitronensaft, weißen Balsamicoessig oder einen Schuss Weißwein dazugeben. Wer seine Pizza besonders käsig mag stellt die doppelte Menge her. Auch lecker kalt auf Brot.

Tipp: Zum frischen Mahlen von Nüssen, Saaten und Hefeflocken eignet sich am besten eine Espressomühle vom alten Typ mit einem Schlagmesser statt mit einem Mahlwerk und einem Taster als Schalter. Man bekommt sie für unter 20,- €.

Und nicht vergessen: 
Die Mahlzeit sollte ein wenig Fett enthalten.

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