Sonntag, 13. März 2016

Vegane Schwangerschaft - Forscherteam gibt grünes Licht




Gesundheit & Krankheit(6)

„Unsere Studie sollte Patienten und Ärzte beruhigen bezüglich der Machbarkeit einer vegetarisch-veganen Ernährung in der Schwangerschaft…, vorausgesetzt, dass der ausreichenden Aufnahme von Mikronährstoffen genügend Aufmerksamkeit gewidmet wird“, so Doktor Giorgina Piccoli von der Universität Turin. 
Gemeinsam mit ihrem zwölfköpfigen Medizinerteam nahm sie 262 Volltexte von Studien nach 2329 Literaturhinweisen sowie 22 weitere ausgewählte Dokumente unter die Lupe[1].
Die ausgewerteten Studien untersuchten Schwangerschaften gesunder Frauen mit freiwillig gewählter veganer oder vegetarischer Ernährung.
Keine der untersuchten Arbeiten berichtet von einem Anstieg negativer Auswirkungen oder Behinderungen. Mit einer Ausnahme: Eine Studie aus dem Jahr 2000 berichtet von einer erhöhten Rate von Hypospadie (angeborene Fehlmündung der Harnröhre) bei den männlichen Babys vegetarischer Mütter[2]. Eine ähnliche Häufigkeit von Hypospadie findet diese Studie auch bei Eisenmangel während der Schwangerschaft und bei durchgemachter Influenza (Inkektion durch den Grippevirus) im ersten Schwangerschaftsdrittel. Die Autoren der Studie vermuteten damals einen Zusammenhang bei Vegetarierinnen mit der erhöhten Aufnahme von Phyto-Östrogenen (z.B.Soja-Flavonoide) aus der Nahrung. Einen Zusammenhang mit Hypospadie und vegetarischer Ernährung geschweige denn veganer Ernährung in der Schwangerschaft konnte seither in keiner Studie noch einmal beobachtet werden. Eine mögliche Auswirkung von Phyto-Östrogenen auf die Schwangerschaft steht natürlich ebenso noch zur Diskussion wie die Auswirkung endokrin aktiver Substanzen (EAS) aus Kunststoffverpackungen von Lebensmitteln.  

Fünf Studien fanden durchschnittlich niedrigere Geburtsgewichte, in zwei Studien dagegen fanden sich höher Geburtsgewichte bei veganen Müttern. Sechs Studien befassten sich mit der Schwangerschaftsdauer und konnten keine signifikanten Unterschiede finden zwischen veganen und omnivorischen Müttern.
Neun unterschiedliche Studien zu Spurenelementen und Vitaminen legten nahe, dass bei veganen Schwangerschaften die Gefahr eines Eisenmangels und eines Vitamin- B12-Mangels erhöht ist.

Vegane Mütter können ein erhöhtes Risiko für Eisen- und Vitamin-B12-Mangel haben

 „Bei der Interpretation der Gesamtergebnisse lässt sich sagen, dass wenn eine vegane Ernährung bewusst gewählt wurde und nicht aus einem Mangel an Nahrung oder aus Armut resultiert, dann sind die Ergebnisse veganer Schwangerschaften ähnlich zu denen omnivorischer Mütter“, so Piccoli. „Unsere Ergebnisse decken sich mit denen der American Dietetic  Associacion, die eine gut geplante vegane Ernährung in jedem Lebensabschnitt für geeignet hält.“
Gleichzeitig weist Piccoli darauf hin, dass die internationale Datenlage noch dünn und weiterer Forschungsbedarf gegeben ist. In der Zukunft sollte die Forschung die Bedeutung von  Ernergiezufuhr, Protein, Spurenelemente, Eisen, Calcium und Vitamin D insbesondere im ersten und letzten Schwangerschaftsdrittel intensiver untersuchen.

Aus der derzeitigen Studienlage geht bisher nur ein vermutlich erhöhtes Risiko für Eisen- und Vitamin B12-Mangel hervor und somit eine Empfehlung zur Kontrolle und gegebenenfalls Supplementierung hervor, so die Empfehlung von Piccoli. 

Eine aussagekräftige Untersuchung des Vitamin B12-Status erfordert die Bestimmung von Holo-Transcobalamin. Aus meiner veganen Ernährungsberatungspraxis in der Schwangerschaftsvorsorge möchte ich die ausgesprochenen Empfehlungen noch ergänzen. Die Ernährungsberatung in der Schwangerschaftsvorsorge fokussiert fünf Substanzen von besonderer Bedeutung für eine gesunde Entwicklung des ungeborenen Kindes. Diese sind

Wichtig für Mutter und Kind sind auch Folsäure, Jod, 
Vitamin D und DHA (Docosahexaensäure)

1. Eisen als Sauerstofftransporter im Blutfarbstoff ist wichtig für alle Bereiche in allen Phasen der vorgeburtlichen Entwicklung. Für Eisen gilt: Der Ferritinspiegel gibt Aufschluss über den Versorgungsstatus. Nehmen sie Eisenpräparate nur auf ärztliche Verordnung hin ein!


2. Eine ausreichende Folsäurezufuhr ist essentiell für eine regelrechte Entwicklung des kindlichen Nervensystems, des Herzens und einen komplikationsfreien Schwangerschaftsverlauf. Das gilt bereits ab frühester Schwangerschaft, denn das für Missbildungen besonders empfindliche Neuralrohr (Teil der Wirbelsäulenanlage) schließt sich bereits zwischen dem 22. und 28. Schwangerschaftstag! Bei Kinderwunsch sollte bereits drei Monate vor einer möglichen Konzeption mit einer Folsäureergänzung begonnen werden, wenn die Nahrung folsäurearm ist. Eine tägliche Zufuhr von 800 Mikrogramm als Nahrungsergänzung wird dann empfohlen. Viele Frauen können auf Grund einer genetisch bedingten Stoffwechselbesonderheit die synthetische Folsäure aus Tabletten oder anderen Zubereitungen nicht effektiv nutzen.Sprechen sie ihren Frauenarzt/ärztin darauf an.
Bei veganer Vollwerternährung ist ein Folsäuremangel eher unwahrscheinlich. Aber Vorsicht: Folsäure ist licht- und hitzeempfindlich und leicht zu oxidieren. Nur in Form von Rohkost ist die Zufuhr effektiv! Besonders reich an Folsäure sind Weizenkeime, Hefeflocken, Linsen, Kohlsorten, Broccoli, Rote Beete, Blattspinat, Blattgemüse und auch viele Obstsorten. Die vor und während der Schwangerschaft empfohlene Aufnahme mit der Nahrung beträgt in Deutschland  550 Mikrogramm Folsäureäquivalente täglich.

3. Der Jodbedarf ist in der Schwangerschaft erhöht. Ein Jodmangel vermindert bereits die Fruchtbarkeit, so dass ein unerfüllter Kinderwunsch u.a. auch auf einem Jodmangel beruhen könnte. Auch für die vorgeburtliche Entwicklung von Nerven-,  Skelett- und Organsystem ist Jod ebenso essentiell wie für einen komplikationsfreien Schwangerschaftsverlauf . Durch den verbreiteten Gebrauch von Jodsalz im Haushalt  so wie in der Nahrungsmittelproduktion sollten kaum Joddefizite in der Bevölkerung vorkommen. Neueste Meldungen aus der Wissenschaft, welche die Jodausscheidung im Urin als Maß für eine ausreichende Versorgung heranziehen, unterstellen eine immer noch unzureichende Jodversorgung der Bevölkerung. Die Jodquellen von Veganern sind neben Meersalz (geringer Jodgehalt), jodiertem Bio-Jodsalz (ohne Riesel-Hilfsstoffe!) vor allem Algen, welche extrem unterschiedlich hohe Jodgehalte aufweisen. Lassen sie sich hierüber von  einem Ernährungsmediziner(in),  Ernährungsberater(in)  oder Oecotrophologen(in) beraten. In Übereinstimmung mit Professor Elsner gehe ich von einer ausreichenden Jodversorgung bei normalem TSH-Spiegel aus. Ob das auch für die Schwangerschaft gilt, kann ich allerdings nicht belegen. 100 bis 150 µg Jod pro Tag gelten als ausreichend in der Schwangerschaft und Stillzeit in Deutschland.

4. DHA (Docosahexaensäure) ist der Grundbaustein von Schutz- und Botenstoffen im Nervensystem und wird benötigt für die Steuerung des Immunsystems. Für eine gesunde Kindesentwicklung ist DHA von größter Wichtigkeit und kann von der Leber nur dann gebildet werden, wenn Alpha-Linolensäure als Grundbaustein zur Verfügung steht. Besonders reich an Alpha-Linolensäure sind kaltgepresstes Chia-, Lein- und Hanföl bzw. auch die Saaten, aus denen diese Öle gepresst werden. Nach biochemischer Lehrmeinung reicht die von der Leber gebildete Menge von DHA nicht aus. Ein vermehrter Verzehr von Kaltwassermeeresfisch kommt für Veganer ohnehin nicht in Frage und kann omnivorischen Schwangeren auf Grund der Belastung mit Methylquecksilber, Arsen und dioxinähnlichen Verbindungen nicht empfohlen werden. Man kann langkettige Fettsäuren im Blut quantitativ bestimmen und gegebenenfalls ergänzen, z.B. mit „Omega-3-vegan“ der Firma Loges. Die Empfehlung in Deutschland lautet: Ab der 13. Schwangerschaftswoche 200 mg DHA/EPA zusätzlich täglich zur Basiszufuhr von 250 mg, also täglich insgesamt 450 mg DHA/EPA zuführen. Besprechen sie dies mit ihrem Arzt oder ihrer Hebamme.

5. Vitamin D. Bei unzureichender Sonnenlichtexposition lautet die Empfehlung in Deutschland: Täglich 20 Mikrogramm (800 I.E.) Vitamin D während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit einnehmen. Als Maß zur Beurteilung gilt der Blutspiegel von 25-OH-Vitamin-D. Eine vegane Nahrungsergänzung ist z.B. „Vitamin D2 vegan“ von Dr. Wolz.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bereits bei Kinderwunsch sowie während Schwangerschaft und Stillzeit ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss auf die ausreichende Zufuhr von Vitamin B12, Folsäure, Eisen, Jod, Omega-3-Fettsäuren und bei Sonnenlichtmangel auch Vitamin D. Aber sollten VeganerInnen das nicht sowieso tun?

Quellen:
[1] Piccoli GB et al.:Vegan-vegetarian diets in pregnancy: Danger or panacea? A systematic narrative review. BJOG 2015;122:623–633.
[2] North K, Golding J: A maternal vegetarian diet in pregnancy is associated with hypospadias.The ALSPAC Study Team. Avon Longitudinal Study of Pregnancy and Childhood.BJU Int. 2000 Jan;85(1):107-13.

Foto:pixabay.com

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