Mittwoch, 8. Juni 2016

Erhöhte Harnsäurewerte durch vegane Ernährung? Immer schön bei den Fakten bleiben!


Wissenschaft & Forschung(16)

Gestern wurde mir ein Artikel zugespielt mit dem Titel "Erhöhte Harnsäurewerte durch vegane Ernährung"[2]. Im Fazit des Artikels heißt es:"...bei diesem Personenkreis [gemeint sind Veganer/innen] ist daher eine regelmäßige Überwachung der Blutspiegel empfehlenswert...". Einmal mehr wird hier bewusst der Eindruck erweckt, vegane Ernährung sei bei weitem nicht so gesund, wie ihre Befürworter glauben, sie ist sogar im Gegenteil mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Mit Sicherheit wird dieser Artikel in Kürze von vielen Fachzeitschriften aufgegriffen und von Gegnern einer veganen Lebensweise gebetsmühlenartig zitiert werden. Ich habe mir daher  die zu Grunde liegende Studie[1] im Original genau angesehen und war erstaunt, mit welch geringem  retorischen Aufwand die Fakten in ein falsches Licht gerückt werden können.

Es handelt sich dabei um eine sogenannte Querschnittsstudie (Cross-Sectional Analysis) von Daten, die aus der gigantisch großen EPIC-Oxford-Studie gewonnen und adjustiert wurden. Veröffentlicht wurde sie bereits 2013.

Ein bemerkenswertes Ergebnis ist folgendes: Veganer/innen hatten im statistischen Mittel tatsächlich die höchsten Harnsäurewerte im Blut. Diese waren jedoch keineswegs pathologisch erhöht, wie man dem o.g. Artikel entnehmen könnte, sondern befanden sich im mittleren  Normbereich. Hier ein Überblick über die Werte in Micromol / l (M=Männer,F=Frauen) :

Normwerte Fleischesser           Fischesser                          
M 214-488  315,0(306,1-324,0) 308,8(299,9-317,6)  
F  137-363  236,6(230,7-242,4) 226,8(220,9-232,6)      

                   Vegetarier               Veganer
M                302,7(293,8-311,5) 340,2(229,4-351,1)
F                 229,9(224,1-235,8) 240,6(233,8-247,4)

Wir sehen, dass sich die untersuchten Veganer/innen nicht annähernd im Bereich pathologisch erhöhter Harnsäurewerte bewegen (Normalwerte oben links! In Klammern Min.-Max. der gefundenen Werte). Die Empfehlung, dass Veganer/innen ihre Harnsäurewerte im Blick behalten sollten, ist eine vollkommen willkürliche Äußerung, die jeglicher Grundlage entbehrt.

Kurios erscheint auch, dass die niedrigsten Werte bei fischessenden Frauen und vegetarischen Männern verzeichnet werden. Unbeantwortet bleibt ebenso  die Frage, warum man bei Veganer/innen im statistischen Mittel höhere Harnsäurewerte fand als bei Fleisch- und Fischessern sowie Vegetariern.

Bezüglich der Interpretation der Ergebnisse besteht unter Ernährungswissenschaftlern und Biochemikern gemeinsame Ratlosigkeit. Es gibt nicht einen einzigen haltbaren Erklärungsversuch seit 2013. Es folgte bisher auch keine Studie, welche ähnliche Ergebnisse zu Tage förderte. Sicher ist derweil, dass eine pflanzenbasierte Ernährung das Gichtrisiko deutlich senkt. Dr. Michael Greger (ein Referent des VegMed-Kongresses 2016) stellt dies mit seiner siebenminütigen Präsentation (mit deutschen Untertiteln) noch einmal deutlich klar und geht u.a. auch auf die hier zitierte Studie ein. Ihr findet sie unter:

http://nutritionfacts.org/video/preventing-gout-attacks-with-diet/
("Gichtafällen vorbeugen durch Ernährung")

Quelle
[1]Julie A. Schmidt et al.:Serum Uric Acid Concentrations in Meat Eaters, Fish Eaters, Vegetarians and Vegans: A Cross-Sectional Analysis in the EPIC-Oxford Cohort.Published: February 13, 2013.http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0056339.http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0056339

[2]Monika Neubeck:Erhöhte Harnsäurewerte durch vegane Ernährung.Der Privatarzt,Mai 2016,S.12

Foto: pixabay.com 

























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